R. Denk - K. Schulz
Der Talerfund von Wenzersdorf 1996[1] Bild: Münzfund Wenzersdorf – Ausstellung 2007 Nach einer ordnungsgemäßen Meldung an das Bundesdenkmalamt wurde der Schatzfund von
93 neuzeitlichen Großsilbermünzen am Gemeindeamt hinterlegt und durch die Vermittlung des Bundesdenkmalamts dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums in Wien zur sachgemäßen Reinigung und Konservierung sowie zur wissenschenschaftlichen Bearbeitung und Photodokumentation übergeben. Im Mai 1997 wurde der Fund dem Bundesdenkmalamt wieder ausgefolgt.
Die Schlußmünze unter den datierten Geprägen wurde im Jahre 1585 hergestellt. Der Abschluß des Hortes ist demnach nach 1585 anzusetzen, desgleichen der Vergrabungszeitpunkt.
Vergrabungszeit: Schlußmünze: 1585 Abschluß des Hortes: nach 1585 Vergrabungszeitpunkt: nach 1585 Fundumstände:[2]
Der Schatz wurde am 4.9.1996 im Zuge von Straßenbauarbeiten in der KG Wenzersdorf, Gem. Gnadendorf, durch einen Bautrupp der Straßenmeisterei Laa an der Thaya bei der Verlegung eines Kanals entdeckt, über die Straßenbauabteilung dem Bundesdenkmalamt gemeldet und im Gemeindeamt hinterlegt.
Die Fundstelle befindet sich an der Kreuzung der Landesstraße mit der nach Michelstetten führenden Straße im Bereich des Gehsteigs in ca. 60 cm Tiefe vor einem damals bereits abgerissenen Haus. Leider konnten keine archäologischen Fundzusammenhänge mehr beobachtet werden, weil der eigentliche Fundort bereits wieder vollständig aufgefüllt worden war. Von einem eventuellen Fundbehältnis ist nichts bekannt geworden.
Die Münzen
Wie schon der Fund von Poysdorf 1995[3] soll auch der hier kurz besprochene ausführlicher in der „Numismatischen Zeitschrift“ vorgestellt werden.
Die 93 Silberstücke setzen sich aus 73 Taler- und 20 Halbtalermünzen
[4] zusammen.
Die älteste datierte Münze im Fund von Wenzersdorf ist ein Halbtaler 1538, in Annaberg von Johann Friedrich I. und Georg (1534-1539), Hzm. Sachsen, geprägt.
Die jüngsten datierten sind vier Kremnitzer und ein Kuttenberger Taler Rudolfs II. (1576-1612) aus dem Jahre 1585.
Das Haus Österreich ist erwartungsgemäß stark vertreten und stellt mit 37 Stücken ca. 40 % des Fundes, wobei die spätesten Gepräge, 13 aus Böhmen und insbesondere aus Ungarn stammende Taler Rudolfs II. mit 14 % einen Schwerpunkt auch des Gesamtfundes bilden.
Einen größeren Anteil mit 32 Stücken, also ca. einem Drittel, stellen, wie schon beim Fund von Poysdorf, die beiden sächsischen Reichskreise. Auch hier sieht die Verteilung über den im Fund vertretenen Zeitraum einigermaßen gleichmäßig aus, wobei die älteste Münze der schon erwähnte Annaberger Halbtaler aus dem Jahre 1538 ist und die jüngste, ein Taler, 1582 in Dresden geprägt wurde.
Das restliche Viertel des Fundes stellen die anderen vertretenen Prägestände. Auffallend im Vergleich zum Fund von Poysdorf 1995 ist der schmale Anteil der niederländischen Erzeugnisse.
Bild: 4 Münzen Rudolf II (1576-1612)
Münzliste[5]
01 HEILIGES RÖMISCHES REICH DEUTSCHER NATION 01A. ÖSTERREICHISCH-BÖHMISCHER KREIS (37 Stk.)
01A.01
Haus Österreich (37 Stk.)
01A.01.04
Ferdinand I. (1521-1564) (9 Stk.)
01A.01.04-A Wien (2 T): o.J. (jüngeres Bb., älteres Bb.
01A.01.04-G Hall (3 T): o.J. (Kg.), GuldenT 1562,
posthum o.J. (Av/Rv: Ros.)
01A.01.04-J
Joachimstal (2 T): 1558 (Ks.), 1561
(1 HalbT): 1549
01A.01.04-J Kuttenberg (1 T): GuldenT 1564
01A.01.05
Maximilian II. (1564-1576) (8 Stk.)
01A.01.05-J Kuttenberg (4 T) 1573, 1574 Löwe, 1574 Fl.,
1577
(1 HalbT): 1/2 GuldenT 1566
01A.01.05-J Budweis (1 T): GuldenT 1571
01A.01.05-M Kremnitz (2 T): 1574, 1575
01A.01.07
Ehg. Ferdinand (1564-1595) (7 Stk.)
01A.01.07-G Hall (7 T): o.J.
01A.01.08
Rudolf II. (1576-1612) (13 Stk.)
01A.01.08-J Kuttenberg (2 T): 1580, 1585
158501A.01.08-J Budweis (3 T): 1580, 1581 (Av:Arab.), 1582
(Av-Leg.durchg., Bz.Ros.)
01A.01.08-M Kremnitz (8 T): 1580, 1583, 1584 (2),
1584 1585 (4)
1585 01B. BAYRISCHER KREIS (2 Stk.)
01B.13
Ebm.
Salzburg01B.13.05
Johann Jakob Khuen v. Belasi (1560-1586) (2 T): 1567, GuldenT 1576 1576
01C. FRÄNKISCHER KREIS (3 Stk.)
01C.02
Mgft.
Brandenburg-Ansbach I- u.
Bayreuth I01C.02.04
Georg v. Ansbach u. Albrecht Alkibiades v. Bayreuth (1536-1543): (3 T): 1541, 1542, 1543 1543
01D. SCHWÄBISCHER KREIS (4 Stk.)
01D.04
Rst.
Augsburg (1 Stk.)
(1 HalbT): 1571
01D.42
Gft. (Fsm).
Öttingen (3 Stk.)
01D.42.07
Karl Wolfgang, Ludwig XV. u. Martin (1534-1547) (2 T): 1543 (?), 1546 1546
(1 HalbT): 1543
01F. OBERRHEINISCHER KREIS (1 Stk.)
01F.19
Lgft.
Hessen01F.19.04
Philipp (1509-1567) (1 T): 1543 (nicht bei Schulten 1543
u. Hoffmeister!)
01H. NIEDERRHEINISCH-WESTFÄLISCHER KREIS (7 Stk.)
01H.01
Rst.
Aachen (1 Stk.)
(1 T): 1571
01H.29
Hzm.
Jülich-Berg u.
Kleve-Mark/Hzm.
Jülich-Berg (1 Stk.)
01H.29.03
Wilhelm V. (1539-1592) (1 T): 1567
01H.31
Rst.
Köln (2 Stk.) (2 T): 1573, 1578 1578
01H.33
Bm.
Lüttich (2 Stk.)
01H.33.05
Gerhard v. Groisbeck (1564-1580) (1 T): 1571
(1 HalbT): 1567
01H.52
Gft. (Fsm).
Ostfriesland (1 Stk.)
01H.52.04
Edzard II. u. Johann (1566-1591) (1 HalbT): 1/2ReichsT 1568
01I. NIEDERSÄCHSISCHER KREIS (5 Stk.)
01I.02
Hzm.
Braunschweig (Mittleres Haus)-
Wolffenbüttel (1 Stk.)
01I.02.03
Julius (1568-1589) (1 T): 1580 1580
01I.19
Domkap (bzw. Bm).
Halberstadt (1 Stk.)
Albrecht V. v. Brandenburg (1513-1545) (1 T): 1539
01I.29
Rst.
Lübeck (1 Stk.)
(1 HalbT): 1577 (zu 16 Sch.)
01I.33
Hzm.
Mecklenburg (vor der Teilung) (2 Stk.)
01I.33.03
Heinrich V. (1503-1552) (1 T): 1540
(1 HalbT): 1540
01J. OBERSÄCHSISCHER KREIS (und LAUSITZ) (27 Stk.)
01J.33
Gft.
Hohnstein (2 Stk.)
01J.33.03
Volkmar Wolfgang, Eberwein und Ernst VI. (1554-1560) (1 T): 1559
01J.33.05
Volkmar Wolfgang (1562-1580) (1 T): 1571
01J.43
Gft.
Mansfeld-Hinterortlinie
Schraplau (=Mittelortische Linie) (2 Stk.)
01J.43.01
Gebhard VII. (+1558), Albrecht VII. (+1560), Philipp II. (+1546), Johann Georg I. (+1579) (1 T): 1545 (Typ Tornau 891)
01J.43.05
Christof II (+1591),Johann Albrecht I. (+1586), Bruno II. (+1615) (1 T): o.J. (Typ Tornau 952)
01J.44
Gft.
Mansfeld-eigentlich Hinterortische Linie (1 Stk.)
01J.44.04
Volrat V. (+1578), Johann I. (+1567), Karl I. (+1594) (1 T): 1564 (Typ Tornau 1086)
01J.68
Hzm (Kfsm).
Sachsen-Ernestinische Linie u. Gem.pr. beider Linien (2 Stk.)
01J.68.10
Johann Friedrich I. u. Georg (1534-1539) Annaberg (1 HalbT): 1538
01J.68.11
Johann Friedrich I. u. Heinrich (1539-1541) Annaberg (1 HalbT): 1541
01J.69
Hzm (Kfsm).
Sachsen-Albertinische Linie („Kursachsen“) (17 Stk.)
01J.69.03
August (1553-1586) Dresden (10 T): 1558 (1), 1564 (1), 1571 (1),
1574 (2), 1576 (2), 1577 (1),
1580 (1), 1582 (1) 1582
(5 HalbT): 1561 (1), 1568 (1), 1570 (1),
1578 (1), 1579 (1)
Freiberg (1 HalbT): 1553
Schneeberg (1 HalbT): 1564
01J.91 Gft.
Schwarzburg (vor der Teilung 1599) (1 Stk.)
01J.91.08
Günther XLI. (1552-1583) (1 HalbT): 1571 (Typ Rein 432)
01J.97
Gft.
Stolberg (vor der Teilung1638) (2 Stk.)
01J.97.?
Ludwig II. (1538-1575) Frankfurt (1 T): 1567
01J.97.07
Ludwig II., Heinrich XXI., Albrecht Georg, Christof I. u. Wolf Ernst (1572- 1573) (1 HalbT): 1573 (Friederich 263)
10. NIEDERLANDE-BENELUX-RAUM (7 Stk.)
10.07
Hft.
Batenburg (1 Stk.)
10.07.02
Wilhelm v. Bronckhorst (1556-1573) (1 T): o.J. (Typ Delmonte 543)
10.11
Bm (Ebm).
Cambrai (1 Stk.)
10.11.02
Ludwig v. Berlaimont (1570-1596) (1 T): 1572 (Typ Delmonte 411,
m. Km. v. Zeeland!)
10.15
Rst.
Deventer, Kampen, Zwolle (2 Stk.)
(1 T): 1555
(1 HalbT): 1579 1579
10.32
Gft.
Horn (1 Stk.)
10.32.01
Philipp v. Montmorency (1540-1568) (1 T): o.J. (n.1540, v. 1568;
Typ Delmonte 749)
10.41
Rst.
Nimwegen (2 Stk.) (2 T): o.J. (Typ Delmonte 633)
Kaufkraft[6]
Wie schon beim Fund von Poysdorf 1995 sollen auch hier einige Beispiele von Löhnen und Preisen aus dem Zeitraum, in den das Datum der Schlußmünze fällt, eine ungefähre Vorstellung von der Kaufkraft dieses Schatzes vermitteln. Die 73 Taler- und 20 Halbtalermünzen des Fundes von Wenzersdorf ergeben in Rechnungsgulden (fl) von je 60 Kreuzern einen Gegenwert von ca. 94 fl und in Kreuzern (kr) gerechnet, bei einer Bewertung des Talers zu 68 kr, einen Gegenwert von 5.644 kr. Als Quelle wurden die Aufzeichnungen des Wiener Bürgerspitals herangezogen.
Löhne:
Taglohn eines Maurergesellen, unbeköstigt: 12 kr (im Sommer), für die Summe von ca. 94 fl mußte er demnach an die 470 Tage arbeiten.
Taglohn eines Weinlesers, beköstigt: 3 kr.
Jahreslohn eines Bierbrauers samt Weib: 1582: 20 fl (=1.200 kr)
1590: 50 fl (=3.000 kr)
Jahreslohn eines Wundarztes: 1582: 52 fl (=3.120 kr)
1590: 78 fl (=4.680 kr)
Jahreslohn eines Kaplans im Spital: 1582: 20 fl (=1.200 kr)
1590: 20 fl (=1.200 kr)
Preise:
1585 bekam man 10 Krautköpfe um 2,58 kr und einen Ochsen um 740 kr oder 10 Talern und 60 kr. Für die Gesamtsumme konnte man in jenem Jahr daher ca. 8 Ochsen erstehen.
Auch in jener Zeit gab es große Preisschwankungen für Wein. So konnten folgende Preise für einen Eimer (=ca. 58 l) Wein erzielt werden:
Wein, Verkauf: 1585: 103 kr
1588: 178 kr
1593: 280 kr
Mit der Summe Geldes, wie sie im Fund von Wenzersdorf versammelt ist, konnte man demnach folgende Mengen an Wein erstehen:
1585: 3.178 l
1588: 1.839 l
1593: 1.169 l
Die Preise für Wein im Ausschank beliefen sich für den Achtering (ca. 1,5 l) 1585 auf 3kr, 1588 auf 7,72 kr und 1593 auf 8 kr. Für die Konsumation von 2 Vierteln Wein mußte man daher 1585 1 kr, 1588 2,6 kr und 1593 2,7 kr auslegen.
Geschichtlicher Hintergrund[7]
Der Zeitraum, in den die Schlußmünzen dieses Fundes fallen, ist von der Auseinandersetzung mit den Türken geprägt. Zwar war 1568 der Friede von Adrianopel unterzeichnet worden, 1592 wird er bestätigt, in den 24 Jahren dazwischen mußten aber 188 türkische Einfälle verzeichnet werden. Prekär wurde die Lage schließlich 1594, nur zwei Jahre nach der Bestätigung des Friedens von Adrianopel, als die Festung Raab dem Ansturm der türkischen Streitmacht nicht mehr standhalten konnte. Zugleich kam Kunde von Bauernunruhen aus dem oberösterreichischen Raum, die sich bis 1597 hinziehen sollten. Zuvor aber war es schon am 15. September 1590 zu einem verheerenden und lange andauernden Erdbeben in Wien und Niederösterreich gekommen, dem zahllose Menschen zum Opfer fielen. Die Bewohner des an der Grenze gelegenen Landstrichs, zu dem auch das Gebiet Wenzersdorfs gehört, hatten, wie man sicher unschwer nachvollziehen kann, auch in jenen Jahrzehnten ein schweres Los zu tragen. Eine gewisse Erleichterung brachte das Jahr 1595 mit der Anerkennung Sigismunds als polnischen König durch Rudolf II., dem Sigismund schließlich damit dankte, im Kampfe gegen die ständige Bedrohung durch die Türken auszuhelfen.
[1] KG Wenzersdorf, Gem. Gnadendorf, VB Mistelbach. Ortsgebiet, ÖK 24 w: 122 n: 249, Niederösterreich. Erstbestimmung K. Schulz.
[2] Funddokumentation und Betreuung: Dr. Christian Mayer, Bundesdenkmalamt.
[3] Siehe MÖNG Bd.37-Nr.3-1997. Vgl. dort auch die Bemerkungen zu den Vergleichsfunden.
[4] Auf verschieden gebräuchliche anderslautende Bezeichnungen der Großsilbermünzen als „Taler“ und „Halbtaler“ wurde in dieser vorläufigen summarischen Zusammenfassung verzichtet.
[5] Erläuterungen zur Anlage der Liste:
Anordnung nach Prokisch, B., Grunddaten zur europäischen Münzprägung der Neuzeit ca. 1500-1990, Wien 1993.
1. Spalte: Kennzahlen der Prägestände, resp. -herren und Landschaften nach Prokisch, a.a.O.
2. Spalte: Prägestände, nach Reichskreisen geordnet.
3. Spalte: teilweise nach Münzstätten aufgeschlüsselte Anzahl der Taler- und Halbtalermünzen mit Datumsangaben.
4. Spalte: Jahreszahl der jeweils jüngsten Münze (fett: der Schlußmünze, kursiv: der Münzen aus dem Jahr zuvor).
Abkürzungen nach Prokisch, a.a.O., S.XXVff. Weitere Abkürzungen: Stk. = Stück(e), T = Taler, HalbT = Halbtaler, Av = Avers, Rv = Revers, o.J. = ohne Jahr, Arab. = Arabeske, Bb. = Brustbild, Bz. = Beizeichen, durchg. Leg. = durchgehende Legende, Fl. = Flügel, Km. = Kontermarke, Ros. = Rosette, Sch. = Schilling.
[6] Als Grundlage siehe Pribram, A. F. (Hsg.), Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich, Band I, Wien 1938.
[7] Siehe Kleindel, W., Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995, S.130ff.